, FALLEN LASSEN ‚

Künstlerische Intervention am Landhaus Innsbruck

Der Sitz der Tiroler Landesregierung befindet sich im ehemaligen „Gauhaus“. Nach Umgestaltung der Umgebung soll mit dieser künstlerischen Intervention an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert werden : Wir kratzen Erinnerungsschichten frei, legen den Finger in Wunden, die nie verheilt sind, geben diesen einen skulpturalen Raum und spannen den Bogen über eine unmittelbare Sensibilisierung für die Gefahren faschistischer Regime bis in die Gegenwart. Im Wort „erinnern“ steckt „inner“; Erinnerung ist ein zutiefst persönlicher Akt mit Lücken, Brüchen, Überlagerungen, Verschiebungen.Es wurde an Kriegerdenkmälern lange nur an die Patrioten gedacht, seltener an die Opfer, da wir sehr lange brauchten, um uns unserer Mitverantwortung an den Gräueln des Holocaust zu stellen. Wir rücken die Erinnerungen derer in den Fokus, die bislang zu wenig Gehör fanden, lassen sie ihre Geschichten erzählen, begeben uns auf die Suche nach Fragmenten, die viel zu oft achtlos weggewischt wurden. Frauen und Hinterbliebene leisteten – als allein und oft schutzlos Zurückgelassene – Übermenschliches, um gesamte Infrastruktur des Alltagslebens aufrechterhalten zu erhalten.In einem Taschentuch sind alle Erinnerungsfäden miteinander verwoben: eine blutende Wunde kann abgebunden, Schweiß und Tränen abgewischt werden; ein schmerzhaftes Winken zum Abschied, der Duft eines geliebten Menschen in den feinen Fasern des Stoffes gespeichert; etwas kann darunter verborgen, abgedeckt werden. Lag bislang eine Hülle des Schweigens über dem fast Unerzählbaren, Unaussprechlichen, blieb so die Fassade aufrecht, so beginnen wir, daran zu schaben. Mittels , Sgraffito‘ (Kratztechnik) lösen wir punktuell Erinnerungsfragmente aus der Fassadenhaut, um einen Nachdenkprozess anzustoßen. Ein Taschentuch voller Geheimnisse, erst auf den zweiten Blick wahrnehmbar, filigran in die Wand des Landhauses eingelassen, löst sich wie eine Schicht ab, fällt zu Boden, wird vor dem Eingang liegen gelassen, verloren vielleicht, zerknittert mit der Andeutung eines Knotens, der sich längst aufgelöst hat. In den Falten aber finden sich unzählige Geschichten, die erzählt werden wollen. Der Knoten erinnert uns an Wichtiges, das keinesfalls vergessen werden soll. Als weiße Fahne symbolisiert es die Kapitulation und das Friedensangebot. Ein Monogramm (QR-Code) wird zum und Eintrittsticket in die Erinnerungswelt all jener, die bislang kaum gehört wurden. Die Erzählstränge verbinden, verweben und verdichten sich zu einem großen Gebilde und passen, vielfach gefaltet, doch in eine Tasche. Ein Taschentuch, vom Wind in die Luft gewirbelt, über Grenzen schwebend, lichtdurchflutet, wolkengleich – ein Symbol des Friedens, der Stoff, aus dem Demokratien entstehen.

Projekt , FALLEN LASSEN ‚
Planung  Künstlerische Intervention im öffentlichen Raum
Status  geladener Wettbewerb 2022
Auftraggeber*in Land Tirol
Zusammen mit STUDIO LOIS und Künstlerin Katharina Cibulka
Team Bea Reitter, Katharina Cibulka , Barbara Poberschnigg, Iris Reiter